Vermeintliche Helfer um die Trauer zu überwinden
Wächst in dir der Wunsch, einfach mal den Kopf freizubekommen und die Gefühle oder Gedanken abzuschalten? Alkohol, Drogen und Medikamente helfen zwar auf kurze Sicht, doch auf lange Sicht sind sie keine gute Strategie. Warum erklären wir dir hier!
Die emotionale Überforderung nach einem Verlust
Nach einem Todesfall können die aufkommenden Gefühle und Gedanken überwältigend sein. Vielleicht kennst du auch den Wunsch, diese emotionale Belastung vorübergehend auszuschalten oder deinen Kopf einfach freizubekommen. In solchen Momenten erscheint der Griff zu Substanzen wie Alkohol, Drogen oder Medikamenten als schnelle Lösung.
Die trügerische Erleichterung durch Substanzkonsum
Kurzfristige Wirkung
Der Konsum von Alkohol, Drogen oder Medikamenten wie Schlafmitteln kann dir zunächst tatsächlich Erleichterung verschaffen. Diese Substanzen greifen in deine Gehirnchemie ein und beeinflussen die Ausschüttung von Botenstoffen. Alkohol beispielsweise verstärkt die beruhigenden und vermindert die aktivierenden Botenstoffe. Dies führt kurzfristig zu:
- Einem Gefühl der Entspannung
- Verminderter Angst
- Scheinbarer Distanz zu deiner Trauer
- Vorübergehender Stimmungsaufhellung
Die Gefahr der scheinbaren Lösung
Genau in dieser schnellen Entlastung liegt das Risiko: Der Konsum erscheint als einfacher Ausweg aus deiner emotionalen Belastung. Besonders wenn diese Strategie bereits vor dem Verlust zur Stressbewältigung gedient hat, kann sich das Muster schnell verfestigen. Alternative, gesunde Bewältigungsstrategien treten dabei zunehmend in den Hintergrund.
Langfristige Risiken des Substanzkonsums in der Trauer
Der vermehrte oder erhöhte Konsum von Substanzen birgt erhebliche Gefahren:
Behinderung der Trauerverarbeitung
- Das emotionale Abstumpfen verhindert eine gesunde Auseinandersetzung mit deiner Trauer
- Die Entwicklung hilfreicher Bewältigungsstrategien wird blockiert
- Dein natürlicher Trauerprozess wird gestört
Suchtgefahr
- Falls du vorbelastet bist, besteht das Risiko eines Rückfalls
- Auch ohne frühere Abhängigkeit kannst du eine Suchterkrankung entwickeln
- Deine ursprüngliche Trauerbelastung wird durch die Suchtproblematik noch verstärkt
Konstruktive Wege aus der Konsumfalle
Wenn du bemerkst, dass dein Substanzkonsum zunimmt, kannst du aktiv gegensteuern:
Selbstbeobachtung entwickeln
- Führe ein Konsumprotokoll
- Dokumentiere Situationen und Mengen
- Identifiziere deine zugrundeliegenden Bedürfnisse
- Suche nach alternativen Bewältigungsmöglichkeiten
Selbstfürsorge stärken
- Vermeide Selbstabwertung
- Erkenne an, dass dir momentan andere Strategien fehlen
- Sei offen für das Erlernen neuer Bewältigungsmethoden
- Entwickle vielfältige Umgangsweisen mit deiner Trauer
Unterstützung suchen
- Vertraue dich einer nahestehenden Person an
- Sprich mit deinem Arzt über deine Bedenken
- Nimm bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch
- Nutze Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen
Es ist wichtig zu verstehen, dass dein Wunsch nach emotionaler Entlastung in der Trauer normal ist. Allerdings führt der Weg über Substanzkonsum langfristig zu zusätzlichen Problemen. Mit der richtigen Unterstützung und alternativen Bewältigungsstrategien kannst du lernen, deine Trauer auf gesunde Weise zu verarbeiten.
Quellen
Pitman, A., Stevenson, F., King, M. and Osborn, D. (2020). Self-Reported Patterns of Use of Alcohol and Drugs After Suicide Bereavement and Other Sudden Losses: A Mixed Methods Study of 1,854 Young Bereaved Adults in the UK. Frontiers in Psychology, 11, https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.01024.
Knabbe, J., Protzmann, J., Schneider, N. and Cambridge, S. B. (2022). Single-dose ethanol intoxication causes acute and lasting neuronal changes in the brain. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 119, https://doi.org/10.1073/pnas.2122477119.