Sekundäre Verluste beeinflussen den Trauerprozess
Jeder Trauernde kennt sie, doch vielen sind sie gar nicht bewusst: die sekundären Verluste. Für Außenstehende sind sie oft gar nicht zu bemerken. Mit dem Tod einer nahestehenden Person verlieren wir nicht nur eine geliebte Person, sondern auch andere Bereiche unseres Lebens. Freundschaften können durch Trauer zerbrechen, bestimmte Rollen entfallen oder das gemeinsame Zuhause muss aufgelöst werden. Diese weiteren Verlusterfahrung nach dem Todesfall einer nahestehenden Person heißen sekundäre Verluste. Sie stehen in unmittelbarem Zusammenhang zu der verstorbenen Person und konfrontieren die Hinterbliebenen stetig mit der Verlusterfahrung.
Warum sich das Leben so anders anfühlt
Sekundäre Verluste haben einen tiefgreifenden Einfluss auf Trauernde, da sie immer wieder neu mit dem ursprünglichen Verlust konfrontieren. Die Trauerforschung zeigt, dass diese nachfolgenden Verluste für die Betroffenen eine ähnlich große Bedeutung haben können wie der primäre Verlust selbst. Sie verstärken das Gefühl, dass sich das eigene Leben fundamental verändert hat.
Verschiedene Bereiche sekundärer Verluste:
Sozialer Bereich: Du kannst eine schmerzhafte Distanz zu Freunden und Familienmitgliedern erleben, die mit deiner Trauer nicht umgehen können. Dies kann zu Gefühlen von Isolation und Einsamkeit führen.
Sicherheit und Stabilität: Der Verlust eines Partners oder Elternteils kann neben der emotionalen Lücke auch praktische Konsequenzen haben – von finanzieller Unsicherheit bis zum Gefühl, schutzlos zu sein.
Identität und Lebenssinn: Mit dem Tod einer wichtigen Bezugsperson kann auch das eigene Selbstverständnis ins Wanken geraten. Viele Menschen müssen ihre Identität und ihren Lebenssinn neu definieren.
Vertrauen und Zukunftsperspektive: Sekundäre Verluste können dein Vertrauen in dich selbst, in andere Menschen und in das Leben generell erschüttern. Die Zukunft kann plötzlich unsicher und bedrohlich erscheinen.
Die weitreichenden Folgen
Die Auswirkungen sekundärer Verluste sind vielfältig und individuell. Manche Menschen ziehen sich sozial zurück, um weitere Verluste zu vermeiden. Dies kann zu einem Teufelskreis aus Einsamkeit und Hilflosigkeit führen. Die wiederholte Konfrontation mit dem primären Verlust durch sekundäre Verluste kann eine erhebliche Stressbelastung darstellen, besonders weil diese Situationen oft überraschend auftreten.
Auch deine Persönlichkeit kann sich durch diese Erfahrungen verändern. Interessen und Vorlieben können sich wandeln, was wiederum Auswirkungen auf dein soziales Umfeld haben kann.
Umgang mit sekundären Verlusten
Der Umgang mit sekundären Verlusten erfordert Zeit und bewusste Aufmerksamkeit. Hier einige wichtige Punkte:
Akzeptanz: Nimm dir die Zeit, auch diese nachfolgenden Verluste wahrzunehmen und zu akzeptieren. Es ist normal und verständlich, dass sich dein Leben verändert hat.
Individuelle Bewältigung: Es gibt kein „richtiges“ oder „falsches“ Verhalten im Umgang mit sekundären Verlusten. Du musst deinen eigenen Weg finden, damit umzugehen.
Unterstützung suchen: Scheue dich nicht, dir Hilfe zu holen – sei es von Vertrauenspersonen oder professionellen Beratern. Du musst diesen Weg nicht alleine gehen.
Zeit nehmen: Lass dir die Zeit, die du brauchst, um dich mit deinen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen. Trauer kennt keine Zeitbegrenzung.
Denk daran: Jeder Mensch erlebt sekundäre Verluste anders, und nicht jeder wird die gleichen Verluste durchmachen. Die Anpassung an die neue Lebenssituation ist ein Prozess, der Zeit, Unterstützung und bewusste Auseinandersetzung erfordert.
Quellen:
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