Starke Trauer im Hangover
Nach einem Abend mit etwas zu viel Alkohol ist deine Trauer besonders stark? Wir erklären dir, warum.
Der trügerische Trost des Alkohols
In der Trauer kennst du vielleicht den Wunsch, deinen Kopf einfach freizubekommen oder deine Gefühle und Gedanken abzuschalten. Alkohol erscheint dann oft als einfache Lösung. Er vermittelt uns kurzfristig positive Gefühle: Wir fühlen uns entspannt, weniger ängstlich und haben den Eindruck, für einen Moment abschalten zu können.
Diese scheinbare Verbesserung unserer Stimmung und das Gefühl der Distanz zur Trauer haben einen biochemischen Hintergrund: Alkohol greift direkt in deine Gehirnchemie ein. Er beeinflusst die Ausschüttung von Botenstoffen, indem er die bremsenden verstärkt und die erregenden verringert. Das Resultat ist ein kurzfristiges Gefühl von Entspannung und verminderter Angst.
Der Rebound-Effekt: Wenn die Trauer zurückschlägt
Was zunächst positiv klingt, hat eine Kehrseite. Kennst du das? Nach einer Nacht mit etwas zu viel Alkohol fühlt sich deine Trauer am nächsten Tag doppelt so intensiv an. Du bist ängstlicher, niedergeschlagen und grübelst mehr als sonst. Dies ist der sogenannte Rebound-Effekt.
Der entspannende Effekt des Alkohols ist nur von kurzer Dauer. Nach 24 bis 48 Stunden kehrt sich die Wirkung um: Dein Körper schüttet vermehrt Botenstoffe aus, die zu verstärkter Ängstlichkeit, depressiver Verstimmung und vermehrtem Grübeln führen. Du fühlst dich angespannter als vor dem Alkoholkonsum.
Die Tücke der langfristigen Folgen
Das Tückische an der Alkoholwirkung ist, dass unser Körper sich vorrangig an die unmittelbare, positive Wirkung erinnert. Viele Trauernde verbinden Alkohol mit Entspannung und Sorgenfreiheit, obwohl er langfristig das Gegenteil bewirkt.
Schon regelmäßiger Konsum in geringen Mengen – ein- bis zweimal pro Woche – kann deine Gehirnchemie nachhaltig durcheinanderbringen. Statt eines dauerhaften Entspannungseffekts reduziert sich deine körpereigene Fähigkeit zur Entspannung immer weiter.
Wege aus der Alkoholfalle
Wenn du merkst, dass dein Alkoholkonsum in der Trauer zugenommen hat oder du ihn als Problemlösestrategie nutzt, gibt es verschiedene Möglichkeiten gegenzusteuern:
Entwickle eine bewusste Selbstwahrnehmung. Führe ein Protokoll über deinen Konsum: Notiere, in welchen Situationen du wie viel trinkst. Analysiere, welche Bedürfnisse in diesen Momenten im Vordergrund stehen und wie du sie anders erfüllen könntest.
Suche das Gespräch mit Menschen, denen du vertraust. Teile deine Sorgen und Ängste mit ihnen. Sie können dir eine wichtige Stütze sein.
Scheue dich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sprich mit deinem Arzt über deine Bedenken oder Fragen. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich Unterstützung zu holen.
Denk daran: Der Wunsch nach Erleichterung in der Trauer ist völlig normal. Aber es gibt gesündere Wege als Alkohol, um mit deinen Gefühlen umzugehen.
Quellen
Pitman, A., Stevenson, F., King, M. and Osborn, D. (2020). Self-Reported Patterns of Use of Alcohol and Drugs After Suicide Bereavement and Other Sudden Losses: A Mixed Methods Study of 1,854 Young Bereaved Adults in the UK. Frontiers in Psychology, 11, https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.01024.
Knabbe, J., Protzmann, J., Schneider, N. and Cambridge, S. B. (2022). Single-dose ethanol intoxication causes acute and lasting neuronal changes in the brain. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 119, https://doi.org/10.1073/pnas.2122477119.