Ist meine Trauer normal?
Nach einer Verlusterfahrung muss man einen Weg finden, mit der Trauer zurecht zu kommen. Jeder geht anders mit Trauer um und bei jedem äußert sich diese auf andere Art und Weise. Doch Trauer ist nicht nur in der ersten Zeit nach dem Verlust präsent. Trauer begleitet uns ein Leben lang, ist mal stärker und mal schwächer und kann sich über die Zeit verändern. Vor allem in Zeiten starker Trauer und bei wiederkehrenden Trauerphasen fragen sich Trauernde oft, ob die eigene Trauer einen „normalen“ Umfang hat oder ob es sich schon um eine depressive Verstimmung handelt.
Was ist Trauer?
Trauer ist die Reaktion auf einen Verlust, zum Beispiel den Verlust eines geliebten Menschen. Dabei ist Trauer nicht allein eine Emotion, sondern kann zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen führen, welche sich durch eine Vielzahl an Symptomen äußern können.
Was ist eine Depression?
Eine Depression hingegen braucht nicht zwingend ein auslösendes Ereignis, kann sich jedoch auch in Form von physischen oder psychischen Symptomen zeigen. Es kann zudem zwischen verschiedenen Arten von Depressionen unterschieden werden.
Wie unterscheidet sich Trauer von Depression?
Wie in so vielen Bereichen kann man Symptome von Trauer und Depression nicht eindeutig auseinanderhalten. Viele Symptome Trauernder, wie zum Beispiel Antriebslosigkeit, physische Symptome und das Ausbleiben von Fröhlichkeit können auch bei einer Depression auftauchen. Dennoch gibt es auch Anhaltspunkte, anhand derer sich Trauer und Depression gut voneinander unterscheiden lassen. Ein Anhaltspunkt kann die Dauer sein. Auch wenn Trauer ein Prozess ist und nie abgeschlossen sein wird, gibt es dennoch meist Zeiträume, in denen diese sehr präsent ist und wiederum Zeiträume in denen die Trauer gut in den Alltag integriert werden kann, ohne diesen zu beeinflussen. Man spricht auch von abklingender Trauer. Bei einer Depression geht man meist davon aus, dass diese länger intensiv andauert und sich ohne professionelle Hilfe nicht verbessert.
Des Weiteren liefert der Umgang mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen Aufschluss über Trauer oder Depression. Trauernde suchen sich oft Trost, vor allem in der ersten Zeit nach dem Verlust, in der die Trauer noch sehr akut ist. Dazu wenden sich Trauernde oft an Freunde und Familie, Personen, denen sie vertrauen und bei denen sie sich sicher fühlen. Personen mit einer Depression bevorzugen meist den Rückzug, teilen ihre Gefühle nicht und isolieren sich mit ihrem Gefühlsleben von Vertrauenspersonen.
Auch wenn Trauernde die verstorbene Person sehr stark vermissen und sehr traurig sind über den Verlust, können sie meist positive Erinnerungen an die verlorene Person für sich bewahren. Oftmals können Trauer und Freude parallel existieren und es kann positiv auf die Zeit mit der verstorbenen Person zurückgeschaut werden. Personen mit einer Depression empfinden oftmals keine Fröhlichkeit und können positive Erinnerungen nicht genießen oder nicht mehr nachempfinden.
Wie du vielleicht schon merkst, gibt es zwar ein paar Punkte, in denen sich Trauer von einer Depression unterscheidet, allerdings verschwimmen viele Symptome miteinander. Und jede Trauer und jede Depression ist hochgradig individuell, weshalb allgemein gültige Aussagen sehr schwer zu treffen sind. Daran anknüpfenden würden wir gerne noch auf eine Frage eingehen, die sich vor allem Trauernde oft stellen: „Kann Trauer zur Depression werden?“
Wann wird aus Trauer Depression?
Trauer kann so intensiv sein, dass Trauernde das Gefühl haben, keine Freude mehr empfinden zu können. Manchmal bleibt Trauer auch so lange präsent und intensiv, dass sich Betroffene fragen, ob die eigene Trauer in eine Depression übergehen kann. Prinzipiell ist es durchaus möglich, dass sich aus Trauer eine Depression entwickeln kann. Um den Betroffenen die beste Hilfe bieten zu können, ist es wichtig, die Hintergründe, Auslöser und Symptome genau zu beleuchten. Trauer und Depressionen sind hoch komplex und können nicht einfach anhand der Symptome getrennt oder behandelt werden. Grundsätzlich können wir dir jedoch empfehlen, mit Personen, denen du vertraust und bei denen du dich wohl fühlst von deinen Gefühlen und Gedanken zu erzählen. Mache dies jedoch immer nur wenn du dich dabei wohlfühlst. Du musst nicht alleine mit deinen Gefühlen, Sorgen, Problemen oder deiner Trauer zurechtkommen. Mit grievy möchten wir dir unterstützend einen geschützten Raum für dich und deine Gedanken bieten und dich mit interaktiven Übungen dabei unterstützen, dich mit diesen auseinanderzusetzen.
Was heißt das für mich und meine Trauer?
Lass uns noch einmal kurz zusammenfassen, was wir bereits wissen: Trauer und Depression sind NICHT dasselbe, ihre Symptome können jedoch ähnlich sein und die Grenze ist fließend. Es gibt einzelne Kriterien, in denen sich Trauer von einer Depression unterscheidet. Prinzipiell ist es nicht ausgeschlossen, dass sich aus Trauer eine Depression entwickeln kann. Doch was bringt dir das jetzt in deiner Trauer? Grundlegend empfehlen wir dir, wenn dir alles zu viel wird oder du sehr stark durch deine Trauer in deinem Alltag eingeschränkt wirst, dann wende dich ruhig an Personen, denen du vertraust. Über seine Gefühle, Ängste, Gedanken und Sorgen zu reden, kann einen oft etwas von der Last befreien, die man mit sich rumträgt. Keiner muss alleine mit seiner Trauer auskommen. Wenn du das Gefühl hast, in deiner Umgebung nicht darüber reden zu können, dann suche nicht den Fehler bei dir. Suche dir Personen, bei denen du dich sicher fühlst und denen du gerne deine Gedanken anvertraust. Du kannst auch mit deinem Arzt über solche Probleme sprechen. Nehme jede Anlaufstelle in Anspruch, bei der du das Gefühl hast, dass sie dir helfen kann. Und nur, weil deine Trauer immer wieder kommt oder vielleicht sehr lange anhält, musst du dir keine Sorgen machen. Es ist normal, dass Trauer in Wellen immer wieder kommt und auch mal länger bleibt. Trauer ist ein Prozess und kein Zustand, der vorbei geht.
Quellen:
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