TRAUERNDE ERZÄHLEN

Falk

Falk ist im Jahr 2010 plötzlich verstorben. Hier erzählt seine Tochter über ihre Erfahrungen im Umgang mit dem Tod und der Trauer.

Wie war der Tag, als du von dem Tod erfahren hast?

An dem Tag an dem mein Vater starb, war ich zuhause. Es passierte alles, während ich schlief. Ungefähr gegen 9:00 Uhr wachte ich schreckhaft auf mit dem Wissen, verschlafen zu haben. Zu dem Zeitpunkt war ich 14 Jahre alt und wurde normalerweise immer von meinem Vater geweckt. Als ich auf die Uhr schaute, stürmte ich wutentbrannt aus meinem Zimmer, um zu sehen warum mich keiner geweckt hatte.

Als ich um die Ecke des Flurs ging änderte sich plötzlich alles und ich realisierte das etwas ganz und gar nicht stimmt. Am Ende des Flurs standen Polizeibeamte. Mein erster Gedanke war: Unser Hund ist mal wieder abgehauen. Die Idee, dass einem Familienmitglied etwas zugestoßen sein könnte, kam mir nicht mal ansatzweise in den Sinn. Ich lief umgehend zurück in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. Nach kurzer Zeit kam meine Mutter ins Zimmer und sagte, dass Sie mir gleich alles erkläre. Ganz schnell führte sie mich im Arm runter.

Unten angekommen, merkte ich, dass etwas wirklich Schlimmes passiert sein musste. Mein Bruder, der zu dem Zeitpunkt schon ausgezogen war, war auch da und sah bitterlich verweint aus. Daraufhin erzählte Mama mir, dass Papa verstorben ist an diesem Morgen und alles ganz plötzlich kam. Ich werde diesen Moment wohl nie vergessen.

Was hast du in diesem Moment gefühlt?

Die Gedanken an meine letzten Momente mit Papa kreisten nur so um mich und schweben mir bis heute ständig im Kopf. An dem Tag brach meine Welt zusammen und ich wusste nicht, inwiefern ich diesen Verlust wohl jemals ertragen könnte. Der Schmerz einen so geliebten Menschen zu verlieren, wird nie verschwinden. Die Art und Weise wie man damit lebt ändert sich allerdings.

Ich habe mich nicht von meinem Vater verabschiedet, da ich meine Erinnerung nicht mit einem solchen Moment trüben wollte. Bis heute glaube ich, war es die beste und schwerste Entscheidung zugleich. Denn der Abschied und das Realisieren des Verlustes sind dadurch schwierig. Wie soll man auch begreifen, dass man diesen Menschen nie wiedersehen wird, wenn er doch am Abend vorher noch Scherze mit dir gemacht hat? Andererseits hat sich das positive, vitale Bild meines Vaters dadurch nie verändert. Und darum bin ich sehr froh.

Wie war die Zeit bis zur Bestattung für dich?

Ich habe die Zeit mit meinem damaligen Freund verbracht. Mein Vater starb an einem Freitag. Ich bin bereits montags wieder in die Schule zurückgekehrt, da ich den Trubel zuhause nicht aushielt. Auch meine Mutter wollte mich davor schützen. Nach einem plötzlichen Todesfall ist der anstehende Papierkram enorm und bürokratisch entstehen einige Hürden. Ich habe mich also so gut es geht abgelenkt.

Ich habe mit meinen Freunden über alles sprechen können, daher war es kein Verdrängen sondern ein einfaches Abtauchen aus der Situation. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt alles völlig unreal scheint. Ich glaube das, was mich im Nachhinein am meisten schockiert hat, ist die Tatsache, was alles auf meine Mutter zukam. Der Verlust eines geliebten Menschens, ein Umzug etc. sind schon Herausforderung genug. Doch das System erschwert viele Prozesse und verlangt finanziell und bürokratisch enorm viel von den Betroffenen ab.

Der Tag der Bestattung – wie hast du ihn erlebt?

Der Tag der Bestattung war sehr emotional und auch sehr bedrückend. Allerdings hatten wir zwei Trauerfeiern. Eine bei uns im Garten für alle Freunde und Angehörige und eine private Beisetzung in Hessen auf einem Waldfriedhof. Eine Beisetzung/Trauerfeier für einen recht jungen Mann, der plötzlich verstirbt, kann nur extrem schmerzhaft sein, weil der Tod so unfair scheint. Allerdings haben wir das Beste aus der Situation gemacht.

Was ist dir von diesem Tag positiv in Erinnerung geblieben?

Zu sehen wie viele Menschen mein Vater berührt und bewegt hat in seinem Leben, hat mir nur nochmal bestätigt was für ein wunderbarer Mensch er doch war. Und dass nicht nur ich um ihn trauern werde, sondern er täglich von so vielen Menschen vermisst werden wird. Er hat Spuren hinterlassen und niemand würde ihn je vergessen. Das hat mir ein Stück Mut, Hoffnung und Glücksgefühl beschert.

Denn ich konnte zumindest sagen, was ich für ein Glück hatte 14 Jahre lang einen solchen Vater gehabt zu haben. Einen Vater, der mir und meiner Familie so viel gegeben hat und mich mit größter Güte und Liebe erzogen hat. So ein Glück erfahren nicht alle Kinder. Das Wissen, immerhin 14 Jahre von ihm gehabt zu haben und so viel von ihm gelernt zu haben, hat mich mit Stolz erfüllt und durch diesen Tag gebracht.

Wie waren die ersten Wochen und Monate nach der Bestattung?

Die erste Zeit nach dem Tod meines Vaters war extrem schwierig. Ich habe zwar weiter gemacht wie zuvor, und auch weiterhin gelacht und glückliche Momente gelebt. Aber das Bewusstsein darüber was der Tod bedeutet und dass ein Leben endlich ist, war für mich zu diesem Zeitpunkt einfach nicht wirklich greifbar. Ich dachte ständig daran, meinen Vater bald wiederzusehen.

Auch heute denke ich, dass es nicht möglich ist, dass ich meinen Vater nie wieder umarmen kann. Diese bittere Realität werde ich nie begreifen können. Gerade zu Beginn war ich sehr sensibel und war schnell am Wasser gebaut. Das was mir in diesen Momenten am meisten geholfen hat, war der enge Bezug zu meinen Freunden. Ich musste so viel unternehmen, wie ich nur konnte. Denn vor meiner Mutter Trauer zeigen und zu weinen, war kaum vorstellbar.

Meine Mutter bat mich deshalb zu einer Psychologin zu gehen, aus dem einfachen Grund, dass sie nicht kontrollieren konnte, inwiefern ich über meine Trauer spreche. Für mich war das auch vollkommen okay und ich begab mich in eine Form von wöchentlichen Gesprächen mit meiner Psychologin. Es gab mir zwar einen neutralen Blick auf die Dinge, aber ich kann nicht sagen, dass Sie mir helfen konnte. Das liegt aber vor allem daran, dass man mir nicht helfen musste, denn ich habe meine Trauer bei meinen Freunden auslassen können und schon immer gut über den Verlust sprechen können.

Ich glaube das ist mit Abstand der wichtigste Punkt nach einem derartigen Ereignis. Ohne die offene Kommunikation wäre ich innerlich vermutlich daran zerbrochen. Mein Freund war mir zu dem Zeitpunkt eine sehr große Hilfe. Meine Freundinnen waren alle ebenfalls sehr bestürzt, da auch sie ein sehr enges Verhältnis zu meiner Familie und besonders zu meinem Vater hatten. Sie schwelgen bis heute gerne mit mir in Erinnerung und gemeinsam können wir über all die schönen Momente lachen, die mein Vater uns bescherte.

Was hat dich angetrieben, deinen Weg weiter zu gehen?

Es gab einige Menschen, die nicht begreifen konnte wie ich „einfach so weitermachen könnte“ und warteten förmlich auf einen Absturz. Ich denke es gibt viele Menschen, die ein solches Ereignis nicht verkraften. Für mich ist es bis heute auch nicht leicht, aber ein Gedanke hat mich durch alles hindurch geführt: Ich möchte meinen Vater stolz machen. Er soll von Oben auf mich herabschauen und glücklich sein. So wie er es auch von mir verlangen würde glücklich zu sein.

Ein weiterer Gedanke hielt mich über Wasser: Diese Art eines plötzlichen Todes ist zwar für die Zurückgebliebenen das Schlimmste, da es die Welt völlig unerwartet auf den Kopf stellt. Für meinen Vater war es allerdings die beste Form. Schnell, kurz und unspektakulär. Kein langer Leidensweg. Genau so hätte er es sich gewünscht.

Wie schaust du heute auf alles zurück?

Die Trauer verlässt einen nie. Es begleitet mich jeden Tag. Und jeden Tag wache ich auf und hoffe es wäre anders. Ich denke und vermisse Ihn jeden Tag, wünschte ich könnte ihm von meinem Tag erzählen, ihm stolz über meine neuen Lebensschritte berichten. Der Gedanke an die Zukunft und dass er nicht bei mir sein kann, wenn ich heirate; dass er mich nicht zum Altar laufen kann oder mit meinen Kindern irgendeinen Blödsinn machen kann; dass ich niemals mit ihm zusammen ein Bier trinken werde und bis spät in die Nacht über die Welt philosophieren kann.

All das sind Gedanken, die mich täglich begleiten. Aber genauso spüre ich jeden Tag eine tiefe Dankbarkeit für alles, was ich von ihm mitnehmen durfte und durch ihn gelernt habe. Und wenn man diese Dankbarkeit in den Vordergrund stellen kann, dann schafft man es auch einen Weg zu finden, mit der Trauer umzugehen.

Was würdest du jemandem raten, der eine ähnliche Situation durchlebt?

Mein Rat: Sprich dich aus, es gibt keinen Grund diese Trauer und diese Gedanken mit dir selbst zu vereinbaren. Sei froh und dankbar über deine gemeinsame Zeit mit diesem Menschen, denn die wird dir niemals jemand nehmen können. Du verlierst niemanden für immer, denn dieser Mensch wird immer bei dir sein, weil du ihn in dir trägst. Er wird dich ständig begleiten und dir helfen, wenn du daran denkst, was dieser Mensch in dieser Situation gesagt und getan hätte. Für mich gibt es ein Leben nach dem Tod. Und ich weiß, dass mein Wunsch meinen Vater umarmen zu können in Erfüllung gehen wird.

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