TRAUERNDE ERZÄHLEN

Rita

Rita ist im Jahr 2009 nach einer längeren Krankheitsgeschichte verstorben. Hier erzählt ihr Sohn über seine Erfahrungen im Umgang mit dem Tod und der Trauer.

Wie war der Tag, als du von dem Tod erfahren hast?

Meine Mutter ist an unheilbarem Krebs verstorben. Es war am 04.09.2009, ein Freitag. Meine Mutter war schon länger bettlägerig und mein Vater hat meine Schwester (damals 18) und mich (damals 17) im Januar 2009 darauf eingestellt, dass unsere Mutter das Jahr wahrscheinlich nicht überleben wird. Mein Bruder war zu jung um das sofort zu erfahren (haben wir zumindest gedacht).

Da es also absehbar war, dass meine Mutter dem Tod entgegen geht und von Tag zu Tag schwächer wurde, haben wir versucht, alle Wünsche zu erfüllen, die sie noch hatte. Zum Glück ist mein Vater beruflich gut aufgestellt und konnte so als Privatpatient vieles möglich machen. Der Größte Wunsch meiner Mutter war es, zu Hause zu versterben. Also wurde unser Wohnzimmer im Jahr 2009 schnell zu einem Krankenzimmer. Ein entsprechendes Bett und sämtliche Geräte und Arzneien waren ab sofort Teil der Einrichtung.

Wir und meine Tanten und Onkel, Omas und Opas haben uns ab Juni mit Nachtwache abgewechselt. Schule und der Sport (Fussball) hat mir sehr geholfen, mich abzulenken.

Freitags morgens kam dann mein Vater ins Zimmer, weckte mich und sagte, dass Mama es geschafft hat. Am Ende war es mehr eine Erlösung, sowohl für sie als auch für die gesamte Familie. Da der Zeitpunkt abzusehen war, kam es nicht ganz überraschend. Trotzdem nimmt es einen sehr mit wenn es dann soweit ist. Ein bisschen Hoffnung bleibt ja doch bis zum Schluss.

Wie hast du auf den Tod reagiert?

Ich war wie gelähmt. Hätte ich mir vorher nie ausmalen können eine Leiche zu berühren, war nun ich derjenige, der meine Mutter nicht gehen lassen wollte. Alle Verwandten und engen Freunde kamen vorbei. Ein guter Freund der Familie hatte zu dem Zeitpunkt ein Bestattungsinstitut und kam im Laufe des Tages vorbei.

Bestimmte Gedanken oder Gefühle kann ich gar nicht beschreiben. Ich weiß aber noch, dass ich an dem Tag abends ein Saisonspiel hatte und auch tatsächlich hingegangen bin, um mich abzulenken. Letztlich war es dennoch nicht ich, der auf dem Platz stand, sondern nur meine Hülle. Abends saßen wir mit der ganzen Familie zusammen und haben zusammen geweint, uns erinnert und getrauert. Am Tag des Todes hatte meine Tante Nachtwache. Im Nachhinein bin ich froh, dass es sie war und nicht ich.

Wie war die Zeit bis zur Bestattung für dich?

Meine Mutter wurde genau eine Woche später beerdigt. Das kuriose ist, dass sie ihre Beerdigung selbst geplant hat. Sie wollte verbrannt werden und jeder der wollte konnte zur Beerdigung kommen. Es waren mehr als 200 Leute da. Aber ich hab nur ein Menschenmeer gesehen und war total in mich gekehrt. Ich wollte mit keinem Reden, sondern nur für mich, meine Geschwister und meinen Vater da sein.

Da ein Bekannter das Bestattungsinstitut leitete, hat er alle Aufgaben diesbezüglich übernommen. Den Rest hat mein Vater erledigt, mit unserer Unterstützung. Was mir besonders in Erinnerung blieb ist, dass meine Mutter sich 2 Lieder ausgesucht hat, die auf der Beerdigung gespielt werden sollten. Und diese Lieder liefen auch. Wenn ich die jetzt hier und da nochmal anhöre kommt einiges hoch und meistens könnte ich wieder anfangen zu weinen…

Der Tag der Bestattung – wie hast du ihn erlebt?

Der Tag der Bestattung war aus meiner Sicht schön in dem Sinne wie eine Bestattung eben schön sein kann. Es hat mich gefreut, dass so viele Leute erschienen sind um Abschied zu nehmen, dass meine Mutter selbst z.T. die Beerdigung geplant hat und dass es ein schöner, sonniger Tag war.

Die Bestattung an sich hat einen Schlussstrich unter die sehr lange Woche gezogen. Es war ein wichtiger Schritt, definitiv. Meine Schwester saß noch wochenlang mit einem Campingstuhl am Grab (Es ist ein Wiesengrab, also sieht man nur eine Bodenplatte auf einer Wiese).

Nach der Beerdigung kamen die engsten Freunde und die Verwandten mit zu uns. Wir haben das ganze Wochenende meine Mama nochmal „hochleben“ lassen und sind in Erinnerungen versunken.

Wie waren die ersten Wochen und Monate nach der Bestattung?

Trauer als Gefühl kann ich nicht beschreiben. Ich glaube, ich trauere immer noch. Auch anders als meine Geschwister oder mein Vater. Aber viel Zeit zum Trauern blieb uns leider nicht. Mein Vater fand sehr schnell eine neue Frau und diese zog sehr schnell bei uns ein. Viele neue Situationen und Menschen…das war keine leichte Zeit.

In dem Zusammenhang gab es Rückschläge und viele Tränen. Man vergleicht die neue Frau immer mit seiner Mutter oder fragt sich, wie der Vater so schnell eine Neue suchen/finden konnte. Das ganze hat unsere Familie inklusive Verwandten leider in zwei Lager geteilt, so dass nichts mehr wie vorher war. Das war eine sehr traurige Zeit.

Wie schaust du heute auf alles zurück?

Ich würde sagen, Trauer verschwindet nicht. Zumindest nicht, wenn man einen Menschen verliert, der einem so nahe steht wie Mutter oder Vater. Sie begleitet einen ständig. Die Trauer zu akzeptieren ist schwer.

Gab es etwas, was dir Hoffnung gegeben hat?

Nach dem Tod meiner Mutter lernte ich einen brasilianischen Austauschschüler kennen. Er zog zu uns für ein Jahr und ich durfte im Gegenzug ein halbes Jahr nach Brasilien. Das hat mir sehr viel Perspektive gegeben. Ich habe eine neue Sprache gelernt, eine neue Kultur kennengelernt und gesehen, dass viele auf der Welt von Leid und Trauer betroffen sind. Das hat mir Hoffnung und Perspektive gegeben.

Was würdest du jemandem raten, der eine ähnliche Situation durchlebt?

Man muss realistisch sein, weiter machen und denken, dass oben jemand sitzt der einen beobachtet. Gerade wenn man vor schweren Entscheidungen im Leben steht in denen man sich vielleicht wünscht, dass die Mutter da ist, um einem zur Seite zu stehen. Aber auch um positive Aspekte zu teilen.

Außerdem würde ich jemanden in so einer Situation raten, sich nicht zu verschließen und wenn man nicht in der Familie reden kann oder will, dann mit Freunden oder mit einem Therapeuten. Eine Therapie zu machen ist keine Schande, das musste ich mir anfangs eingestehen. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Stimmt zwar nicht ganz, aber mir hat es sehr geholfen.

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